Gespräch mit der Konferenzdolmetscherin Astrid Sauvage, des MIC-Jahrganges 2011
Heute sind wir im Gespräch mit Astrid Sauvage, die ihre Spezialisierung als Konferenzdolmetscherin der deutschen Kabine im MIC La Laguna gemacht hat. Das Interview findet auf Deutsch statt. Diejenigen die allerdings kein Deutsch in ihrer Sprachkombination haben, können hier die Option Englisch wählen.
Erzähle uns ein wenig von dir als Dolmetscherin
Seit Abschluss des EMCI-Kurses an der Universität von La Laguna bin ich als freiberufliche Dolmetscherin und Übersetzerin in Brüssel tätig. Darüber hinaus arbeite ich halbtags für das European Milk Board (EMB), dem europäischen Dachverband der Milcherzeugerorganisationen, ebenfalls als Dolmetscherin und Übersetzerin. Dort dolmetsche ich u.a. bei Mitgliederversammlungen, Vorstandssitzungen, Pressekonferenzen, Treffen mit Politikern und anderen Interessensträgern.
Wann hast du den Master in Konferenzdolmetschen an der Universität von La Laguna absolviert? Wie war diese Erfahrung für dich?
Ich habe den Master 2010-2011 absolviert. Für mich besteht kein Zweifel: es war eine tolle Erfahrung! Ich habe vorher in einem anderen Bereich gearbeitet und mich dann dazu entschieden, wieder ein Studium aufzunehmen, um Konferenzdolmetscherin zu werden. Was mir an diesem Masterstudium am besten gefallen hat ist, dass es sich um eine sehr intensive Ausbildung handelt, die sehr zielgerichtet ist. Man lernt die Technik und erfährt auch viel über den Beruf selbst. Aber vor allem geht’s ums Üben, in Kombination mit hilfreichem Feedback.
Wie fandst du es, in den Kanarischen Inseln zu studieren?
Meiner Meinung nach ist die Tatsache, dass der Master sich in Teneriffa befindet, eindeutig von Vorteil. Es erlaubt einem den nötigen Abstand, den man benötigt, um sich wirklich auf sein Ziel zu konzentrieren: die Prüfung bestehen und als Dolmetscher tätig werden. Die Insel bietet zudem am Wochenende zahlreiche Möglichkeiten für Ausflüge an den Strand oder in die Berge, wo man entspannen und den Stress abbauen kann. Und als Belgierin muss ich wohl hinzufügen: das Sonnenlicht, das dort zu Genüge vorhanden ist, hilft einem bei Laune zu bleiben und die nötige Energie zu tanken, die man für das Studium braucht!
Welche Erinnerungen hast du an den Kurs, deine Kollegen und die Dozenten? Irgendeine Anekdote?
Die Dozenten sind sehr kompetent und geben hilfreiches, aber auch ehrliches Feedback – und das ist unabdingbar. Und in schwierigen Zeiten sind die anderen Studenten für einen da. Was Anekdoten angeht… Nun es gab schon den einen oder anderen Lachanfall. Ich erinnere mich an einen bestimmten Tag zu Beginn des Kurses, während der praktischen Übungen. Ich musste die ziemlich traurige Rede einer Kommilitonin dolmetschen und konnte mich vor Lachen kaum mehr halten (und ich war nicht die einzige). Bei einer anderen Gelegenheit hätte so etwas ziemlich peinlich sein können…
Wie war nach dem Master der Übergang in das Berufsleben?
Nicht einfach, wie ich mir das auch gedacht hatte – und man hatte uns ja auch oft genug vorgewarnt. Wobei ich zugeben muss, dass ich das Glück hatte, eine interessante Halbtagsbeschäftigung zu finden, die mir eine gewisse finanzielle Stabilität gewährt und gleichzeitig die Gelegenheit, regelmäßig zu dolmetschen. Dadurch kann ich meine Fähigkeiten aufrechterhalten, mich an das Umfeld und die Arbeit als Dolmetscherin gewöhnen und zudem neue Kontakte mit Dolmetscher-KollegInnen knüpfen.
War es schwierig, auf dem Markt Fuß zu fassen? Eine Anekdote?
Einfach ist das sicherlich nicht. Manchmal erhält man mehrere Angebote für denselben Tag und zuweilen eine Zeit lang gar keines. Das ist die Schwierigkeit am Anfang. Aber mit der Zeit wird es einfacher, da man auch immer mehr Kollegen kennenlernt, über die man gelegentlich Angebote erhält. Als Anekdote vielleicht Folgendes: während des Studiums war das Sprechen vor einem größeren Publikum nicht gerade meine Stärke. Doch schon einige Monate nach Abschluss des Studiums stand ich im Rahmen meiner Arbeit für das EMB während einer Bauerndemonstration vor hunderten Milcherzeugern auf einem Podium und schrie (d.h. übersetzte) in ein Mikrofon. Das war eine tolle Erfahrung – und das war nicht das letzte Mal.
Welche war deine Sprachkombination während des MIC-Kurses und mit welchen Sprachen arbeitest du jetzt?
Meine Sprachkombination während des Studiums war Deutsch als A-Sprache mit Englisch, Französisch, Spanisch und Niederländisch als C-Sprachen. Momentan arbeite ich nicht mit Niederländisch, habe mir aber Französisch als B-Sprache angeeignet, dank der Unterstützung einer Kollegin. Ich bin zweisprachig mit Deutsch und Französisch aufgewachsen, habe aber in La Laguna nicht mit einem sogenannten Retour gearbeitet, weil es einfach zu viel auf einmal gewesen wäre.
Findet man dich auf sozialen Netzwerken? Verfügst du über einen Twitter-Account?
Sie können mich auf LinkedIn finden und ich habe ebenfalls ein Profil auf ProZ. Auf Twitter bin ich nicht aktiv, aber das kann ja noch kommen…
Und schließlich, was rätst du denjenigen, die darüber nachdenken, Konferenzdolmetschen zu studieren?
Nun ich denke, dass jeder, der Konferenzdolmetschen studieren möchte, sich dessen bewusst sein sollte, dass dies kein einfacher Weg ist. Das Studium bringt eine ganze Menge Arbeit mit sich und auch danach ist der Lernprozess nicht beendet. Doch wenn jemand wirklich motiviert ist und sich für viele Themen interessiert – und zudem bereit ist, über Dinge zu lesen, die ihn nicht interessieren – dann ist dieser Beruf äußerst bereichernd. Die Arbeitsfelder und die Themen, mit denen man arbeitet, sind sehr vielfältig und man lernt immer wieder Menschen aus den verschiedensten Bereichen kennen.
Mein Rat: bereits vor dem Studium mit der Vorbereitung beginnen. Man sollte viel lesen und immer auf dem Laufenden bleiben. Und, vor allem: während man dies tut, sollte man versuchen, sich bewusst Ausdrücke, Wortschatz, Redensarten usw. zu merken und anzueignen, auch wenn sie einem in dem Moment absolut logisch erscheinen. Denn etwas passiv zu kennen, ist eine Sache. Doch es ist eine ganz andere Situation, wenn man sich ein Wort ins Gedächtnis rufen muss, während man jemandem zuhören muss und gleichzeitig darüber nachdenkt, was man selbst als nächstes sagen wird!